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Biodeutscher? Wer oder was soll das sein?

Schaut man im Duden nach, ist "biodeutsch" jemand deutscher Abstammung und in Deutschland lebend. Ob dieser Jemand aber überhaupt auf Generationen seiner Vorfahren zurückblicken kann, wird dabei umsichtigerweise offengelassen. Zu schwierig wäre vermutlich die Zuordnung.

Ursprung

Woher kommt der Ausdruck Biodeutscher?

Angenommen wird, dass sich diesen Begriff der 1959 in Bursa/Türkei geborene deutsch-(türkische) Karikaturist und Kabarettist Mussin Omurca ausgedacht hat. Populär gemacht hat ihn aber wohl erst Cem Özdemir von den "Grünen" 2015. Özdemir hatte damals das substantivierte Adjektiv, also die Wortschöpfung: Biodeutsche(r), augenzwinkernd in einer Rede für die Bezeichnung "Deutsche ohne Migrationshintergrund" übernommen.

Aber, gibt es überhaupt Deutsche ohne Migrationshintergrund?

Nein, die gibt es nicht. Denn:

‚… die Deutschen sind ein Gemisch, entstanden aus verschiedenen Völkern. Lange Zeit empfanden sich die Menschen hier ja nicht als deutsch, sie sahen sich als Franken oder Bayern. Sicher, das Reich bildete einen Rahmen, aber darin lebten die verschiedensten Stämme, teils ganz unterschiedliche Menschenschläge …‘.1)

Historie

Seit wann sind Bevölkerungsvermischungen bekannt?

Seit tausenden von Jahren. Denkt man zum Beispiel

  • an die "alten" Römer, die sich bis zum Niedergang des Römischen Reiches um 476 auch in großen Teilen Germaniens getummelt haben,
  • an die Völkerwanderung im 4/5. Jahrhundert,
  • an die Vielzahl römisch-deutscher Kaiser, die, bei ihren unentwegten Reisen durchs Land auf dem Rücken der Pferde – zwecks Befriedigung ihres unerschöpflichen Ehrgeizes nach der Kaiserkrönung durch den Papst in Rom, oder an ihre Kriege zur Sicherung der Grenzen sowie gleichzeitiger territorialer Eroberungen – in den Ruhepausen ganz gewiss auch keine Freunde von Traurigkeit waren. Ergaben sich in dem oft mehr als tausend Mann (und Frau) umfassenden Tross doch ausreichend Gelegenheiten zu amourösen Abenteuern,
  • an die um 1685 wegen religiöser Verfolgung aus Frankreich nach Deutschland fliehenden protestantischen Hugenotten und, und, und.

Diese Reihe lässt sich bis ins 20. Jahrhundert fortsetzen – unter anderen:

  • Flucht aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern während und nach dem 2. Weltkrieg,
  • Zuzug der so genannten Gastarbeiter aus Südeuropa in den 60er Jahren,
  • Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Jugoslawien in den 90ern bis hin zu den
  • seit 2015 Schutzsuchenden aus Syrien, Afghanistan, Irak und anderen Ländern mehr,
  • ergänzt um die Kriegsflüchtlinge aus dem von Putin angezettelten Überfall auf die Ukraine im Februar 2022.

Carl Zuckmayer und "Des Teufels General"

Die Frage nach dem Biodeutschen hat auch schon Carl Zuckmayer (1896-1977) trefflich in seinem 1946 in New York uraufgeführten Theaterstück "Des Teufels General"2) beantwortet. Ohne den Begriff überhaupt gekannt zu haben, lässt er den Flieger-General Harras nämlich zum jungen Leutnant Hartmann, dessen Verlobung wegen einer vermeintlichen Unklarheit in seinem Stammbaum geplatzt ist (seine Familie konnte für eine seiner Urgroßmütter keinen Ariernachweis erbringen), sagen:

"… und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da waren

  • ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht.
  • Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet.
  • Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder
  • ein keltischer Legionär,
  • ein Graubündner Landsknecht,
  • ein schwedischer Reiter,
  • ein Soldat Napoleons,
  • ein desertierter Kosak,
  • ein Schwarzwälder Flözer,
  • ein wandernder Müllerbursch vom Elsass,
  • ein dicker Schiffer aus Holland,
  • ein Magyar,
  • ein Pandur,
  • ein Offizier aus Wien,
  • ein französischer Schauspieler,
  • ein böhmischer Musikant –

das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt, und, und der der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt!

Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt - wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann – und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost …"

Vor noch längerer Zeit

Ganz und gar abwegig erscheint der Begriff Biodeutscher gleich Deutscher ohne Migrationshintergrund, wenn man der ‚Vermischungstheorie‘3) derjenigen Wissenschaftler folgt, wonach der Homo sapiens sich vor etwa 70.000 Jahren von Ostafrika aus auf Wanderschaft begeben hat – unter anderem nach Arabien, nach Usbekistan, auf die Iberische Halbinsel und irgendwann sogar bis in die Nähe Düsseldorfs (Neandertal/Homo (sapiens) neanderthalis).

Und überall dort, wohin er auf seinem Marsch kam, traf er auf andere Menschenarten. Was geschah mit denen? Wurden die in gewalttätigen Auseinandersetzungen ins Jenseits befördert? Kein schöner Gedanke. Auch, wenn es lange her ist.

Freundlicher dagegen ist doch dann tatsächlich die weiter oben genannte Vermischungstheorie, die den Gedanken zulässt, dass die Entwicklung des heutigen Homo sapiens zurückgeht auf eine Vielzahl unterschiedlichster und tausende Jahre alter Genmixturen.

Zugegeben, diese in weiten Teilen noch unbewiesene These im Zusammenhang mit dem Begriff biodeutsch zu bemühen, ist natürlich sehr weit hergeholt und ausgesprochen abenteuerlich. Macht aber durchaus Spaß darüber nachzudenken.

Sei’s drum. Selbst unsere Altgermanen aus grauer Vorzeit lassen keinen Bezug zu sogenannten Biodeutschen herstellen. Es gibt sie schlicht nicht, die Biodeutschen…

Quellen:

  • 1) „Das Reich der Deutschen“ (DVA – Spiegel Buchverlag)
  • 2) "Zuckmayer Lesebuch“ (S. Fischer Verlag 1976)
  • 3) „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ (Yuval Noah Harari / Penguin Verlag)
  • „Reclams Schauspielführer“ (Reclam Verlag, Stuttgart)
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